Das Mahnmal Hollabrunn–eröffnet am 09.11.2018

Mobirise

Das Hollabrunner Mahnmal "Fehlende Puzzleteile" entstand aus der Projektarbeit von SchülerInnen der HAK Hollabrunn unter der Leitung von Mag Christian Suchy und Maga Annemarie Bierbaumer. Es wurde im Rahmen des Projektes Gedenken und Bedenken der gleichnamigen ARGE erarbeitet und von einer Jury ausgewählt.

Den Platz für das Mahnmal am Kirchenplatz 2, direkt vor dem Eingang der BHAK-Hollabrunn stellte die Erzdiözese Wien zur Verfügung. Die Konstruktion erfolgte durch eine Zusammenarbeit von HTL-Hollabrunn mit der Firma CLA-Tech in Guntersdorf. Die baulichen Maßnahmen übernahm die Stadtgemeinde Hollabrunn. 

LEBENSWORTE GEGEN DAS TOTSCHWEIGEN 

Vortrag von Obmann Franz Müllner BEd, am 11.11.2018 im Rahmen einer Gedenkveranstaltung im Stadtsaal Hollabrunn 

Meine Damen und Herren, es ist mir eine Ehre heute hier im Stadtsaal von Hollabrunn zu Ihnen sprechen zu dürfen.
Ich möchte versuchen Lebensworte gegen das Totschweigen zu finden.
Wir stehen heute in der Verpflichtung, die Gräuel der Shoa beim Namen zu nennen und sie nie zu vergessen. Gerecht können wir dieser Aufgabe aber nur werden, indem wir über das Leben reden und so eine Entgegnung für das Totschweigen finden.
Je mehr man sich mit den Ereignissen der Shoa auseinandersetzt, umso mehr stoßen wir an die Grenzen unseres Begreifens. Wie das Unaussprechliche aussprechen? Das ist eine Frage, die wir uns besonders im Gespräch über die Shoa mit Kindern und Jugendlichen stellen müssen.
Denkansätze dazu habe ich in Yad Vashem und Lochamei ha Gitaot gefunden. Hier hat man Modelle für die Bearbeitung dieses Themas mit jungen Leuten aus der Generation der Nachgeboren gefunden.
Die narrative Umsetzung des Yad Vashem Prinzips möchte ich an Beispielen aus dem Weinviertel versuchen.

Die große österreichische Schriftstellerin Elfriede Jelinek hat in ihrem Drama „Totschweigen“ die verstörenden Ereignisse rund um den Massenmord beim Kreuzstadel und das beharrliche Schweigen eines ganzen burgenländischen Dorfes thematisiert. Das Massengrab der von den lokalen Nazis in den letzten Kriegsstunden ermordeten Juden konnte bis heute nicht gefunden werden.

Totgeschwiegen wurde aber in den Jahrzehnten nach 1945 nicht nur in Rechnitz!
Als jemand, der seit vielen Jahren in der Gedenkarbeit steht, kenne ich nur zu gut die Forderung: „Man möge die Dinge endlich ruhen lassen!“ Wenn ich das höre, frage ich mich: „Zu welchem Zeitpunkt hat man sich damit umfassend auseinandergesetzt? Wann wurde diese - unsere - Geschichte umfassend aufgearbeitet?“ Hier agiert man auch Jahrzehnte nach den Ereignissen frei nach der Devise: „Glücklich ist, der vergisst, was nicht mehr zu ändern ist!“ Diese Phänomen wurde schon vor Jahrzehnten von Erwin Ringel in seinem Buch „Die österreichische Seele“ eingehendst beschrieben.


„Franzi und die Synagoge“

Diese Phänomen des Schweigens gehört auch von Kindheit an zu meiner Lebensgeschichte. Der Heimweg von meiner Volksschule führte mich an der Ruine der Synagoge von Mistelbach vorbei. Unzählige Male blieb ich dort stehen und bestaunte dieses merkwürdige Gebäude, das wie ein verwunschenes Schloss von hohem Unkraut umwuchert war. Die vielen Fragen die in mir aufstiegen, blieben jedoch unbeantwortet, oder wurden mit einem: „Das verstehst du nicht!“, abgetan. Es hat Jahrzehnte gedauert, bis ich mir selbst Antworten geben konnte und das Fragen nach der Shoa hat für mich nie aufgehört.
Lehrerprojekt in Yad Vashem

Die Republik Österreich ermöglicht seit Jahren in Zusammenarbeit mit „erinnern.at“, Lehrern aus allen Schularten einen mehrwöchigen Studienaufenthalt an den Holocaust Gedenkstätten Yad Vashem und Lochamei ha Gitaot in Israel, bei denen Einblicke in pädagogische Ansätze zum Gespräch mit Kindern und Jugendlichen aller Altersgruppen über die Shoa gewährt werden. Auch ich bekam diese großartige Gelegenheit meine Fragen zu stellen, für die ich sehr dankbar bin.

Yad Vashem bedeutet: „Ihnen den Namen zurück geben“ - denen die man zur Nummer machte!


Das pädagogische Yad Vashem Prinzip kann man im Wesentlichen etwa so zusammenfassen:

„Sprich nicht über 6 Millionen
Menschen - das kann sich niemand vorstellen!
Sprich nicht über Leichenberge - das kann niemand begreifen!

Sprich über MENSCHEN - nenne sie beim Namen- diese Menschen hatten ein LEBEN VOR - WÄHREND und manche von ihnen auch NACH der Shoa!“



Beispiele aus dem Weinviertel:

Auch bei uns im Weinviertel gab es diese Menschen, die von heute auf morgen in die Maschinerie des Rassenwahns der Nationalsozialisten gerieten. Ich möchte einige von Ihnen stellvertretend für alle jetzt beim Namen nennen:

Das ist JOSEF KOLB aus Gaweinsthal
„Ein echter Weinviertler in Kalifornien“.
Ich hatte das Glück ihn und seine Frau
LILLY KOLB geb. Eisinger aus Mistelbach 1994 in Los Angeles treffen zu dürfen.

Da sind IGNATZ und ALBERT DRILL aus Laa/Thaya. Auf Ihrem Grabstein am jüdischen Friedhof in Mistelbach steht der Satz:
„Die Stütze brach, der einzige Sohn,
die Hoffnung ruht im Grabe schon.“
Er erzählt von einem Unfall, bei dem Albert der einzige Sohn ums Leben kam. Die Mutter starb bald darauf. Der Vater Ignatz wurde als Letzter der jüdischen Gemeinde Laa/Thaya deportiert. Sein für ihn vorbereitetes Grab auf dem jüdischen Friedhof in Mistelbach blieb bis heute leer.

Jedes dieser Beispiele wäre es wert, sich eingehend damit auseinanderzusetzen. Ich möchte das heute am Beispiel jener Frau versuchen, die ich als Erste von den überlebenden Mitgliedern der ehemaligen jüdischen Gemeinde Laa/Thaya persönlich kennen lernen durfte.

KAROLA ZUCKER geb. ÖSTERREICHER aus Laa
verheiratet mit
HERMANN ZUCKER aus Fulda
2 Söhne und eine Tochter – 6 Enkelkinder

In ihren handgeschriebenen Erinnerungen hat Frau Zucker ein beeindruckendes Dokument der Nachwelt hinterlassen. Sie berichtet über eine glückliche Kindheit, in der Geborgenheit ihres Elternhauses, von eine Schule, die sie über alles liebte, und aus der sie nach dem Einmarsch Hitlers von einem auf den anderen Tag verjagt wurde. Ein Schmerz, den sie nie verwunden hat. Als ich sie zum ersten Mal in Österreich getroffen hatte und sie mich nach Laa/Thaya begleitete, war es schon am ersten Tag ihr großer Wunsch, wieder ihrer alte Schule betreten zu können. Ich war damals an derselben Schule als Lehrer tätig, so konnte ich ihr diesen Wunsch erfüllen.
Nach der Vertreibung aus ihrer Schule folgte die Vertreibung aus Ihrer Heimatstadt. Die Familie ging nach Ungarn, wo der Vater Verwandte hatte. Wieder besuchte sie eine, diesmal ungarische, Schule, ohne zunächst ein Wort Ungarisch zu sprechen. Nachdem man sich mehr schlecht als recht eingelebt hatte, kam im Sommer 1944 die Deportation nach Auschwitz - Birkenau.

Nach Monaten im Todesschatten endlich der Tag der Befreiung und da nach langem Hoffen und Warten die Gewissheit wuchs, dass sie von allen Familenmitgliedern, die mit ihr im Transport waren, als Einzige überlebt hatte, reifte der Entschluss nach Israel auszuwandern.
Als das Schiff mit den Einwanderern endlich in Haifa einlief, erlaubten die Engländer den Menschen nicht von Bord zu gehen. Mit dem Mut der Verzweiflung versuchten die Menschen an Land zu kommen. Die englischen Soldaten eröffneten das Feuer und eine Kugel durchschlug beide Oberschenkel von Frau Zucker. Auf einer Tragbahre kam sie an Land. Am nächsten Tag erschien in einer Zeitung ihr Bild unter dem Titel: „Wounded Girl“.
Was folgte war wieder Internierungslager. Dort lernte Karola ihren späteren Mann Hermann Zucker, einen Hilfspolizisten, kennen und lieben.
Nachdem sie aus dem Lager entlassen wurde, heiratete sie ihren Hermann und bald kam der erste Sohn zur Welt. Endlich hatte sie wieder Familie. Diese Jahre fielen in die Entstehungszeit des Staates Israel, sicher keine leichte Zeit, aber man hatte eine neue Perspektive.
Nach dem Treffen in Österreich durfte ich Frau Zucker auch in Israel besuchen und so lernte ich ihre Familie kennen, mit der ich bis heute verbunden bin.
Die Familie von Frau Zucker lebt in Israel, aber ihre Wurzeln haben sie nie vergessen.
Als am 19.Juni 2005 der große Wunsch von Frau Zucker verwirklicht und das Denkmal an die jüdische Gemeinde Laa/Thaya eröffnet wurde, da waren sie alle da:
Die Zuckers, die Maneles, die Jokels und auch meine liebe Freundin Kitty Schrott, eine Tochter der Familie Drill.
Etwa 100 Nachkommen von Mitgliedern der ehemaligen jüdischen Gemeinde waren anwesend.
Sie kamen um sich zu erinnern, dass ihre Wurzeln in Österreich sind ….

Eine alte jüdische Weisheit sagt:
„Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung!“

Erinnern heißt aber auch die Dinge beim Namen nennen zu dürfen.
Und diese Erinnerung die zur Versöhnung führt, wünsche ich Hollabrunn von ganzem Herzen.
Hier geht es zu einer Powerpoint

© Copyright 2020 F.M. All Rights Reserved.

Site was created with Mobirise