A Letter to the stars

Im Schuljahr 2002/03 wurde österreichweit unter dem Titel "A Letter to the Stars" eine Aktion gestartet, bei der Jugendliche eingeladen wurden, die verloren gegangenen Lebensgeschichten, der 80.000, unter den Nationalsozialisten ermordeten Österreicher, zu rekonstruieren und nachzuforschen.

In Laa an der Thaya beteiligten sich 44 Schüler der Musikhauptschule an diesem Projekt und machten sich nach den Weihnachtsferien auf die Suche nach der Lebensgeschichte von Eugenie Rosenbaum und Ida Fischer die beide in Laa an der Thaya geboren waren und auch dort aufgewachsen sind. Die Schüler versuchten auf vielfache Weise Lebensdaten der Gesuchten herauszufinden. Es wurde bei der Stadtgemeinde Laa nachgefragt und eine Reihe von Briefen an die verschiedensten Archive des Landes Niederösterreich, der Stadt Wien und der Republik Österreich verfasst, was schließlich zum Erfolg führte. Die Lebensgeschichten wurden im Internet (www.LetterToTheStars.at) veröffentlicht und die Schüler fassten ihre Eindrücke und Gefühle in Briefen an Eugenie Rosenbaum und Ida Fischer zusammen, die mit Tausenden anderen Briefen bei der Schlussveranstaltung am 5. Mai 2003 an weiße Ballone (die Farbe Weiß ist im Judentum die Farbe des Gedenkens) gebunden wurden und in den blauen Himmel über den Wiener Heldenplatz stiegen.

Der Zufall ergab, dass viele dieser Briefe vom Wind in Richtung Norden getrieben wurden und in der Umgebung von Laa an der Thaya aufgefunden wurden. Diese Briefe wurden an das Aktionsbüro zurückgeschickt und sollen Teil einer zukünftigen Ausstellung sein. Auch in dem Buch „Briefe in den Himmel Schüler schreiben Geschichte“ Wien 2003 wurden eine Reihe dieser Briefe und Lebensgeschichten veröffentlicht. Darunter auch die Geschichte der Ida Fischer aus Laa.

Sie können die Briefe der Schüler nun auch online nachlesen.

Brief: I. Fischer

Liebe Frau Ida Fischer!

Sie sind am 28.8.1878 in Laa an der Thaya geboren. In der Stadt in der ich heute die Hauptschule besuche.
Später haben Sie Ihren Mann Samuel Fischer kennen und lieben gelernt, haben geheiratet und sind zu Ihm in das schöne zweistöckige Haus mit Garten nach Eggenburg gezogen. Wie wird wohl Eure Hochzeit gewesen sein? Mit vielen Leuten oder nur im kleinen Rahmen? Eure Tochter habt Ihr Frieda genannt und sie war sicher Eure große Freude. G´tt sei Dank hat sie diese böse Zeit im Exil überlebt. Der 1. Weltkrieg hat Ihnen Ihren Samuel genommen und doch waren Sie stolz, dass er für Ihr Vaterland Österreich gefallen ist. So nennen Sie sich selbst eine Kriegerwitwe. Es war bestimmt nicht einfach Ihr schönes Haus zurück zu lassen und in eine Sammelwohnung nach Wien in die Große Schiffgasse 5/23 zu fremden Leuten zu ziehen.
Wir konnten auch herausfinden, dass Sie am 15.10.1941, mit dem 6. Transport unter der Nummer 431, Ihre Heimat Österreich in Richtung Polen für immer verlassen mussten. Es ist traurig zu wissen, dass sie Ihre Tochter nie wiedergesehen haben. Das Ziel der Fahrt war Lodz. Die Umstände unter denen die Fahrt verlief und unter denen Sie dort leben und sterben mussten sind für uns unvorstellbar.
Ich frage mich wie sie das alles durchgestanden haben, dass Sie Ihren Mann, Ihre Tochter und den ganzen Besitz verloren haben. Zum Schluss waren Sie ganz alleine. Es muss schwer zu ertragen gewesen sein.
Meine Klasse hat versucht Ihnen Ihre vom Vergessen bedrohte Identität zurückzugeben.
Ich hoffe es ist nach Ihrem Gefallen. 



Lebenslauf von Frau Ida Fischer:

Ida Fischer wurde am 28.8.1878 (1871) in Laa/Thaya geboren.
Ihr Mädchenname: Ida Schweinburg.
Verheiratet: mit Samuel Fischer.
Sie lebte einige Zeit in Eggenburg, Rathausstraße 8,
Ihr Mann ist im Krieg (1. Weltkrieg) gefallen.
Tochter: Frieda Fischer überlebte im Exil
Idas letzte bekannte Adresse war: Wien 2, Große Schiffgasse 5/23. Bei dieser Adresse handelte es sich mit großer Sicherheit um eine Sammelwohnung.
Sie wurde am 15.10.1941 mit dem 6. Transport unter der Nummer 431 nach Lodz (Litzmannsstadt) in Polen deportiert. Da man weiß, dass von den 5000 Juden aus Wien, die im Herbst 1941 nach Lodz deportiert wurden, nur wenige (34) zurückgekommen sind, ist anzunehmen, dass Ida Fischer dort umgekommen ist. Ihr Todesdatum ist nach wie vor nicht bekannt.

Ida Fischer lebte in einer sehr grausamen Zeit die viele Opfer forderte. Tausende Menschen verloren alles, ihren Besitz, ihre Heimat, ja sogar ihr Leben. Man brachte sie ins Ghetto oder KZ nur weil sie anders waren. Damit in Zukunft Menschen ein Schicksal wie das der Ida Fischer erspart bleibt, müssen wir uns daran gewöhnen Menschen nicht nach ihrer Religion, Hautfarbe oder ihrem Aussehen zu beurteilen, sondern nach ihrem Charakter. Ich selbst wünsche mir den Mut und die Kraft, dann einzugreifen, wenn die Menschenwürde in Gefahr ist.

Brief: E. Rosenbaum

Liebe Frau Eugenie Rosenbaum!

Meine Klasse und ich haben uns an dem Projekt „A letter to the Stars“ beteiligt. Es war unser Ziel wenigstens ein Opfer der Shoa dem Vergessen zu entreißen. Ihren Namen haben wir in der Internetliste des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes unter dem Eintrag: „Laa an der Thaya“ gefunden.
Wir besuchen die Hauptschule in Ihrer Geburtsstadt.
Hier lebten Sie mit Ihren Eltern Heinrich und Berta Philipp. Sie waren österreichische Staatsbürger so wie wir.
Am 10.3.1907 feierten Sie den schönsten Tag in Ihrem Leben. Sie heirateten Otto Rosenbaum. Sie lebten gemeinsam in der
Thaliastraße 88 im 16. Wiener Gemeindebezirk.
Ihr Beruf war Modistin. Ein Beruf der uns heute fremd geworden ist. Ich hoffe er hat Ihnen gut gefallen. Man hatte es auch nicht leicht in dieser Zeit!
Es war sicher ein schwer Schicksalsschlag als Sie Ihren Mann verloren und nun Witwe wurden. Dazu möchte ich Ihnen auch heute noch mein großes Beileid ausdrücken.
Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hat man Sie aus Ihrer Wohnung vertrieben und am 15.2.1941 mussten Sie mit dem 1. Transport unter der Nummer 837 Ihre Heimat Österreich für immer verlassen. Der Transport ging in das Ghetto nach Opole in Polen. Was dort passiert ist können wir uns nicht einmal vorstellen. Wir haben schon viel über Konzentrationslager und Ghettos gelernt, aber wie es wirklich war, bleibt nur in den Köpfen der Menschen, die so wie Sie, es selbst erlebt haben.
Doch die Zeit heilt viele, nicht alle, Wunden. Aus Fehlern kann man lernen und ich hoffe, dass das auf meine Heimat Österreich zutrifft.



Lebenslauf von Frau Eugenie Rosenbaum:

Geboren am: 21.7.1882 (29.12.1882) in Laa an der Thaya
Eltern: Heinrich und Berta Philipp (geborene Rosenberger)
Staatsbürgerschaft: Österreich
Verheiratet am: 10.3.1907 mit Otto Rosenbaum verwitwet
Beruf: Modistin
Zuletzt wohnhaft: 1160 Wien Thaliastrasse 88
Deportiert am: 15.2.1941 mit dem 1. Transport unter der Nr.:837 nach
Opole (Polen) wo sie auch wahrscheinlich verstorben ist.
Vom Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien mit dem 8.5.1945 für tot erklärt.

Eugenie Rosenbaum lebte in einer Zeit, in der sie allein wegen ihrer jüdischen Abstammung ungerecht und unmenschlich behandelt wurde. Auch heute werden oft Ausländer und Flüchtlinge mit Vorurteilen überhäuft. Auch bei Eugenie hat es damals so begonnen. Wenn solche Ereignisse in Zukunft verhindert werden sollen, müssen wir es uns angewöhnen, die Würde aller Menschen zu achten und auch mit Zivilcourgage dafür einzutreten.
Für mein Vaterland Österreich wünsche ich mir, dass ihm in Zukunft eine Zeit, wie sie Eugenie erleben musste, erspart bleibt. Das wird aber nur gelingen, wenn man bereits den Anfängen wehrt.

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